Am 27. März 2025 trafen sich im Zürcher Triemli Spital Fachleute aus dem Gesundheitswesen zur Procure.ch Fachtagung Spitaleinkauf. In Vorträgen und Diskussionsrunden wurde beleuchtet, vor welchen Herausforderungen Spitäler und Gesundheitseinrichtungen in der Schweiz stehen, wie sich die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahrzehnten verändern und welche innovativen Lösungsansätze bereits heute umgesetzt werden.
Einen wichtigen Impuls setzte dabei Frau Andrea Raida M.Sc., Projektleiterin Health Care Logistics am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML – sie brachte die Perspektive der Nachhaltigkeit in der Krankenhauslogistik in die Diskussion ein.
Im ihrem Forschungsprojekt Green Hospital – Ressourceneffizienz bei Schweizer Spitälern wurden erstmals die Umweltpotenziale im Schweizer Gesundheitswesen systematisch untersucht. Im Fokus standen ökobilanzierte Prozesse, Best Practices und Effizienzpotenziale im Spitalbetrieb. Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NRP 73 Sustainable Economy des Schweizerischen Nationalfonds in einer interdisziplinären Forschungsgruppe, bestehend aus Experten der ZHAW, dem Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWSB) und Spitälern wie dem Inselspital Bern, dem Hôpitaux Universitaires Genève und dem GZO Spital Wetzikon sowie dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund (IML), durchgeführt.
Im Interview mit Unite teilt Frau Andrea Raida die wichtigsten Insights aus der Green Hospital Forschungsstudie und spricht über die Rolle, die dem Einkauf bei der kosteneffizienten und umweltverträglichen Gestaltung von Spitalprozessen zukommt.
Unite: Das Schweizer Gesundheitswesen ist für rund 7 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich – das überrascht viele. Wo sehen Sie konkret Hebel, um dieser Verantwortung im Einkauf gerecht zu werden?
Andrea Raida M.Sc: Die Umweltwirkungen im Spital entstehen in allen Bereichen. 26% davon bereits in der Wärmeerzeugung, 17% in der Verpflegung, 15% in der Gebäudeinfrastruktur und 7% bei medizinischen und Haushaltsprodukten. Ein zentraler Hebel für den Einkauf liegt im optimierten Materialverbrauch. In vielen Einrichtungen wird mehr bestellt als benötigt, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das meiste landet im Lager oder direkt bei den Fachbereichen, manches wird nie verwendet und muss später wegen abgelaufener Haltbarkeit entsorgt werden. Im Projekt Green Hospital zeigte sich: Bei rund 60 % der Artikel wäre eine Reduktion möglich – ohne die Versorgung zu gefährden. Der Einkauf kann hier viel bewirken, wenn Prozesse und Bedarfe regelmässig hinterfragt werden. Hier können digitale Analysen und Bedarfsprognosen enorm helfen, den Einkauf nachhaltiger zu gestalten.

In vielen Einrichtungen läuft der Bestellprozess noch manuell – wo sehen Sie Chancen durch Digitalisierung?
Wenn der Bedarf per Hand erfasst und per Fax an die Einkaufsabteilung geschickt wird, benötigt dies Zeit und Ressourcen – und es passieren Fehler. Digitale Systeme schaffen Abhilfe: Bedarfe lassen sich direkt am Arbeitsplatz erfassen und automatisiert an das ERP übermitteln. Das spart Zeit, reduziert Papierverbrauch und erlaubt eine präzisere Planung. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um effizienter und nachhaltiger zu arbeiten. Zudem können zentrale Auswertungen helfen, Einsparpotenziale zu erkennen – sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich.
Nachhaltigkeit wird oft mit grossen Massnahmen wie energieeffizienten Gebäuden verbunden. Was lässt sich kurzfristig und pragmatisch umsetzen?
Kleine Massnahmen wie Gerätepooling bieten grosses Potenzial. Wenn Medizingeräte zentral geortet und zwischen Stationen geteilt werden können, reduziert das unnötige Neuanschaffungen und erleichtert den Wartungsaufwand. Auch in der Speiseversorgung kann durch Softwareeinsatz Verschwendung minimiert werden. Systeme, die individuelle Bedürfnisse und Wünsche der Patienten berücksichtigen, haben laut unserer Studie das Potenzial, die Lebensmittelabfälle und damit auch die CO₂-Belastung deutlich zu senken. Durch den Einsatz eines Speisenbestellsystems werden im Durchschnitt 7 % weniger Mahlzeiten zurückgegeben. Hochgerechnet auf ein Jahr reduziert das die Umweltbelastung um rund 11.760 Kilogramm CO₂-Äquivalente bzw. 30,1 Millionen Umweltbelastungspunkte – das entspricht etwa der Umweltwirkung einer Autofahrt von 70.000 Kilometern!
Wie lässt sich Nachhaltigkeit im Spital strukturell verankern – auch über den Einkauf hinaus?
Ein nachhaltiges Krankenhaus braucht klare Verantwortlichkeiten. Eine zentrale Anlaufstelle für Nachhaltigkeit, die Einführung messbarer KPIs und kontinuierliches Monitoring sind entscheidend. Wenn Massnahmen, Fortschritte und Einsparungen transparent kommuniziert werden, steigt die Akzeptanz bei allen Beteiligten – von der Pflege bis zur Verwaltung.
Wie gelingt es dem Einkauf, intern mehr Gehör für Nachhaltigkeit zu bekommen?
Auch hier gilt: Einsparpotenziale sichtbar machen. Wenn belegt werden kann, dass durch digitale Bedarfssteuerung und Einkaufsprozesse Kosten gesenkt und gleichzeitig CO₂-Emissionen reduziert werden, erhöht das die Chance, dass nachhaltige Massnahmen auch umgesetzt werden. Wer mit Zahlen kommt, wird gehört. Wenn beispielsweise durch eine bessere Bedarfsplanung weniger Material im Lager liegt, das später entsorgt werden müsste, versteht jeder den Nutzen.
Vielen Dank, Frau Andrea Raida, für Ihre Zeit und das Interview!
Die Procure.ch Spitaltagung fand am 27. März 2025 im Stadtspital Zürich Triemli statt und wurde von Unite gesponsored.
Foto 2: Cornelius Fischer, www.corneliusfischer.ch

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