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Vom Bestellbüro zum Werttreiber: Wie Spitäler ihre Beschaffung transformieren

Der Druck auf die Spitäler steigt – Fachkräftemangel, steigende regulatorische Vorgaben und hohe Sachkostenanteile erschweren den Betrieb. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung enorme Chancen: Durch professionelle Beschaffung, Standardisierung und den Einsatz von KI lassen sich Effizienz, Transparenz und Wirtschaftlichkeit deutlich steigern.

Christian Offergeld

Herr Offergeld, Sie sind Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG, haben jahrelang als Bereichsleiter Beschaffung und Logistik der Insel Gruppe gearbeitet und waren davor über 20 Jahre in der Industrie tätig. Wenn Sie auf die letzten Jahre blicken: Wie hat sich die Spitalbeschaffung konkret verändert?

Der Gesundheitssektor steht derzeit unter erheblichem Druck. Steigender Fachkräftemangel sowie verschärfte gesetzliche Anforderungen erschweren den wirtschaftlichen Betrieb der Spitäler zunehmend. Regulatorische Anforderungen haben die Beschaffung wesentlich verändert, wie z. B. schon im Januar 2020 das Heilmittelgesetz mit den Forderungen nach Transparenz, Rabattierung und Integrität. Dann folgte 2021 die etappierte Einführung der Medizinprodukteverordnung und damit die Forderung nach Rückverfolgbarkeit von Produkten. Ab 2026 wird die Einführung der ambulanten Pauschalen die Spitäler kräftig fordern.

Zudem rückt mehr und mehr die Versorgungssicherheit in den Vordergrund: Sie erfordert widerstandsfähige Lieferketten. Krisen wie der Ukraine-Krieg oder die Suezkanal-Blockade machen deutlich, dass Beschaffungsstrategien an geopolitische Risiken und potenzielle Versorgungsunterbrechungen angepasst werden müssen, um Resilienz zu stärken.

Auch die demografische Entwicklung wird Beschaffung und Logistik vor neue Herausforderungen stellen. Effizienz, Anpassungsfähigkeit und ein höherer Technologieeinsatz sind notwendig, um Fachkräftemangel zu kompensieren, Wissen zu sichern und veränderte Nachfrageprofile zu bedienen.

Diese Rahmenbedingungen und der steigende Kostendruck dürften nun auch traditionelle Institutionen zum Umdenken zwingen. Zahlreiche Spitäler haben schon erkannt, dass die Sachkosten nicht über 30 Prozent der Spitalkosten liegen sollten. Hier sind innovative Lösungen und Herangehensweisen gefragt, die mehr Effizienz erlauben. Voraussetzung hier allerdings: Eine professionelle Beschaffung, die digitale Möglichkeiten konsequent nutzt.

Bevor Sie in den Gesundheitssektor wechselten, waren Sie viele Jahre in der Industrie tätig, in leitenden Positionen im Supply Chain Management u.a. bei Siemens und Hilti. Gibt es Unterschiede in der Beschaffung von Industrieunternehmen und von Spitälern? Was können die einen von den anderen lernen?

Zwischen der Beschaffung in der Industrie und in Spitälern bestehen teils deutliche Unterschiede. Während die Beschaffung in der Industrie häufig direkt auf Geschäftsleitungsebene verankert ist, fristet sie in vielen Spitälern ein Randdasein. Die alte Kaufmannsregel «Im Einkauf liegt der Gewinn» gilt mehr denn je. Industriebeschaffung ist meist zentralisiert und Bestell- und Rechnungsvorgänge finden in einem ERP statt. Meist gilt die Regel: «Ohne Bestellung, keine Bezahlung». Diese Vorgehensweise mit einheitlichem Prozess würde bereits im Spitalbereich massiv helfen und für mehr Transparenz sorgen.

Zweitens: In der Industrie basiert die Beschaffung häufig auf verlässlichen Prognosen. Diese bilden die Grundlage für Bündelungen und mehrjährige Rahmenverträge. In Spitälern – insbesondere im OP-Bereich – fehlt es hingegen oft an belastbaren Plänen, sodass die Beschaffung reaktiv statt vorausschauend agiert. Dabei wäre gerade der OP-Bereich aus Prozesssicht gut datenbasiert planbar.

Ein weiterer Unterschied: In vielen Industrien wird die Beschaffung sehr früh in einen Beschaffungsvorgang eingebunden und achtet darauf, dass nicht überspezifiziert wird.  Zielbild ist eine «good enough quality». Leider wird in einigen Spitälern der Einkauf immer noch als «Bestellbüro», ohne richtigen Mehrwert, wahrgenommen bzw. so platziert.

Die indirekte Beschaffung führt oft ein Schattendasein. Wie wichtig ist sie wirklich und wo liegt das schnell hebbare Potenzial?

Medizinprodukte, Medizintechnik und Arzneimittel machen in einem Somatikspital rund 60 Prozent des Beschaffungsvolumens aus. Die Bestellanforderungen aus dem Kerngeschäft bis hin zur Bestellbestätigung werden bereits heute digital abgewickelt. Diese Beschaffungsvorgänge sind eindeutig spezifiziert und werden meist über das ERP-System abgewickelt.

Als indirekte Beschaffung werden in der Regel alle anderen Beschaffungsvorgänge wie externe Dienstleistungen, Facility Management, Energie oder ICT bezeichnet, sowie C-Teile wie medizinische Instrumente, Laborbedarf und Arbeitskleidung. Gerade in der Spezifikation der Bedarfe und im Vergabedesign liegt oft ungehobenes Potential. Bei C-Teilen mit geringerem Stückwert, aber hohem Bedarf werden die erheblichen Prozesskosten in der Beschaffung häufig übersehen. In zahlreichen Spitälern wird das indirekte Material zum Teil nach wie vor am ERP vorbei und ohne Einbindung des Einkaufs beschafft. Wickelt man diese Beschaffung aber sauber und effizient ab, kann man viel Geld sparen. Deswegen spielt die indirekte Beschaffung eine zentrale Rolle.      

Wie könnten digitale Beschaffungsplattformen und elektronische Marktplätze, aber auch Outsourcing Modelle, bei dem externe Dienstleister Teile der Beschaffung für die Spitäler übernehmen, quasi «Procurement-as-a-Service», dazu beitragen, die notwendigen Veränderungen voranzutreiben?

Digitale Plattformen wie Unite werden zunehmend eine bedeutende Rolle spielen. Die Plattform verbindet Einkaufsorganisationen mit einem integrierten B2B-Marktplatz, bündelt dabei Lieferantenkataloge und fördert Transparenz. Sie automatisiert aufwändige Beschaffungsprozesse, gerade bei C-Teilen, und sorgt für Compliance und Nachhaltigkeit im indirekten, plattformgestützten Einkauf.

Meine Einschätzung zu Procurement-as-a-Service ist, dass dieses Modell künftig auch in der Spitalwelt Anwendung finden wird. Gerade Organisationen, die an die öffentliche Vergabe gebunden sind, können von Dienstleistungen profitieren, die helfen, gesetzliche Vergabeverfahren und Dokumentationspflichten beispielsweise über Vergabeprotokolle einzuhalten.

Einkaufsagenten, die künstliche Intelligenz integrieren, wie z. B. askLio oder ProcureAi revolutieren gerade die Beschaffungswelt. Administrative Aufgaben wie die aufwändige Suche nach Alternativprodukten oder die Umwandlung einer Bestellanforderung in eine Bestellung werden übernommen und schaffen Raum für strategische Aufgaben.

Projektbeispiele verdeutlichen das Potential: Mit einer Reduktion manueller Tätigkeiten um rund 30 Prozent werden Kapazitäten für strategische Projekte frei. Durch die Zusammenführung von Datensilos und optimierte Transportbündelung können die Logistikkosten um 15–20 Prozent gesenkt werden. Mit einer höheren Datentransparenz und einer verbesserten Steuerung strategischer Aktivitäten lassen sich Beschaffungskosten um 10–15 Prozent reduzieren.

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Richten wir den Blick nach vorn: Welche weiteren Trends oder Innovationen beobachten Sie, die den Spitaleinkauf in den nächsten Jahren massgeblich beeinflussen werden?

Digitalisierung und KI sind weit mehr als ein Buzzword und werden Beschaffung und Logistik nachhaltig verändern. Ein grosser technologischer Fortschritt ist das Verbinden bisherig unabhängiger Datensilos und die intelligente Nutzung von Daten. Datenanalysen verbessern die Prognosefähigkeiten und beschleunigen die Automatisierung. Dadurch eröffnen sich erhebliche Potenziale für Effizienzsteigerungen. Eine verlässliche Datenbasis wird dabei zum zentralen Erfolgsfaktor für zuverlässige datengetriebene Analysen und fundierte Entscheidungen. Künstliche Intelligenz wird viele Prozesse mitgestalten, zum Beispiel bei der Bewertung von Lieferanten oder bei der Früherkennung von Risiken.

Zwei grosse Spitäler in der Schweiz haben in den letzten Jahren ihre Logistik mit Hilfe von KI optimiert. Die Ergebnisse: gebündelte Transporte, eine optimale Routenplanung und final eine spürbare Reduzierung der Logistikkosten.

Welchen abschliessenden Rat möchten Sie Spitälern mit auf den Weg geben? Was müssen sie am besten heute noch angehen, damit ihre Beschaffung in Zukunft besser aufgestellt ist?

Angesichts geopolitischer Risiken und der Chancen, die durch Digitalisierung und KI entstehen, sollten Spitäler ihr Beschaffungssystem grundlegend neu definieren und transformieren. Deshalb empfehle ich, zeitnah eine Digitalisierungsstrategie mit realistischer Umsetzungs-Roadmap für Beschaffung und Logistik zu entwickeln.

Im Vergleich zur Industrie haben einige Lieferanten und Händler immer noch sehr hohe Margen. Produkt- und Lieferantenstrategie, Preisvergleiche und Wettbewerb sind der Schlüssel zu vernünftigen Konditionen. Die spitalübergreifende Zusammenarbeit in gemeinsamen «Shared Services» würde Kräfte bündeln, um auf Augenhöhe mit Lieferanten zu verhandeln. Ein einheitlicher Warengruppenschlüssel, gemeinsame Standards für Materialstammdaten und ein standardisiertes Sortiment wären dabei entscheidende Schritte, um die Kooperation zwischen den Spitälern deutlich zu verbessern. 

Mein gut gemeinter Rat lautet: Man kann nie früh genug beginnen. Die Digitalisierung eröffnet enorme Chancen – durch professionelle Beschaffung, konsequente Standardisierung und den gezielten Einsatz von KI lassen sich Effizienz, Transparenz und Wirtschaftlichkeit nachhaltig steigern.

Vielen Dank, Herr Offergeld, für dieses Interview!

 

Die richtige Beschaffungsstrategie mit Unite

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